Tagebuch
1. Tag
Wir sind auf Korsika.
Das Hütten- und Wanderfeeling hat sich schon eingestellt, obwohl wir noch keinen Meter gewandert sind.
Einer geordneten Abreise folgte eine struppelige Landung und die Suche nach einem Taxi, das 5 Personen befördert. Diese Suche blieb erfolglos. Eine lange Reihe von Taxis, Mercedes Limousinen, SUVs, 7 Sitzer standen bereit, um die Touristen zu Ihren Urlaubszielen zu bringen. Aber eben höchstens 4, aber wir sind 5.
Alles gut zureden half nichts. Also nahmen wir zwei Taxis und wir, mit Thorsten, erwischten einen älteren Korsen, der uns famos entertainte mit lauter korsischer Musik, dazu sang und swingte, als wir durch die uns gleich faszinierende Landschaft fuhren.
Die erste Unterkunft, Auberge la Foret, hatte Thorsten, unser Wanderleiter, in einer Baude schon inmitten der Berge gebucht. Wir bekamen ein 6-Bettzimmer zugewiesen, wo wir alle 5, Claudia, Ramona, Tamara, Thorsten und ich unterkamen. Doppelbetten, Dusche im Zimmer, Toilette außer Haus! Gerade haben wir uns mit GR20 Wanderern unterhalten, die den Weg von Süden nach Norden gewandert sind. (Aber die Luxusvariante mit Gepäcktransport, zumindest zu den Hütten, die eine Anbindung an das Straßennetz hatten.)
Natürlich haben wir wieder all die Horror-Stories gehört. Aber schauen wir mal morgen.
2. Tag
Wir gehen den GR20.
Die Sonne brennt noch, wenn ich diese Zeilen vor dem Zelt schreibe. Ja, vor unserem Zelt, in dem wir heute die Nacht verbringen werden.
Das Zelt steht direkt vor der Hütte, die zur Zeit wegen Wanzen alle Matratzen in die Zelte verfrachtet hat und den gebuchten Gästen als Alternative eine Zeltübernachtung spendiert.
Vom Zelt aus können wir hinab in die Schlucht schauen, aber auch über die Bergrücken bis hinaus auf das Meer, denn wir sind ja auf einer Insel. 6 schöne Stunden sind wir heute den Berg hinauf gekrachselt, überwiegend im Schatten des nach Zedern-Harz duftenden Waldes.
Wenn wir aber den Schutz des Waldes verließen, dann brannte er auf uns hernieder, unser Fixstern. Der Anstieg, 1100 Höhenmeter oder so ähnlich, war nicht sehr steil. Der Weg recht bequem, also ein Auftakt nach Maß. In der Hütte kann man Essen kaufen – 20 € ein Essen (französisches Drei-Gänge-Menü) Wir werden aber auf Gasflamme uns ernähren. Toma kocht, nur für mich (und natürlich für sich): Die Landschaft ist sehr schön, schroffe Berge, lichtdurchfluteter Wald, bunter Farn auf dem Waldboden, ab und zu fotogene Bäume, die den Blick ins Tal aufpeppen.
Als Gruppe gehen wir recht homogen. Der Rucksack flitz vorneweg, ich meinte der Rucksack mit Ramona, dahinter Claudia, gefolgt von Toma und Torsten und meist war ich am Ende, da ich ja noch filmen und fotografieren musste, also langsamer war, und immer wieder mich sputen musste, damit ich den Anschluss nicht verliere. Es gab viel schöne Motive.
Um uns herum flitzen die Eidechsen, ein Kolkrabe fliegt gerade vorbei. Greifvögel haben wir noch nicht gesehen. Die Etappe war ungewöhnlich kurz, verglichen mit den Etappen bei der Alpenüberquerung, wo wir nie vor 16.00 Uhr an der Hütte waren. Es heißt also warten auf das Abendbrot, den Sonnenuntergang und die Zeit nutzen.
Toma wäscht sich, was aber auch nicht stundenlang dauert.
Ich habe wieder mein Büro mit, die Blue tooth Tastatur und das Windows-Handy. Empfang haben wir keinen und Wifi auch nicht. Urlaub eben. Ein bequemer Sitz wäre noch gut, aber man kann ja nicht alles haben.
Es ist am Vormittag des 4. Tages. Wir sitzen im Hotel!, und pflegen unsere Wunden. Eigentlich nur Toma, ich pflege meine Sachen und habe einen ganzen Tag Zeit, die Geschehnisse der letzten zwei dramatischen Tage niederzuschreiben.
Aber der Reihe nach, nur zur Beruhigung, es ist alles gut und nur ein bleibender Schaden.
3. Tag
Der zweite Tag begann gefühlt mitten in der Nacht. Es war noch dunkel, als rings um unser Zelt Bewegung einsetzte, Menschen aktiv wurden, der Strahl von Taschenlampen unser Zelt streiften. Der Zeltplatz sammelte sich und bereitete sich zum Aufbruch vor. Wir waren wach und berappelten uns. Die Uhr zeigte 6 Uhr. 6.15 Uhr kam Thorsten vorbei, um in der Küche Wasser für den Frühstückstee zu kochen. 6.30 Uhr war Frühstück angeordnet. Wir wollten um 7.30 Uhr los. Das wäre uns fast gelungen, aber zwei Ereignisse hinderten uns daran, als erstes fiel Ramonas Uhr unter die Dielen und in einer 6+ Klettertour wurde sie wiedergeholt und dann waren wir alle auf der Suche nach Tomas Sonnenbrille, die sich Zwischen Innen- und Außenzelt wieder fand.
Obwohl wir gestern schon 1000 Höhenmeter gemacht hatten, hieß erst einmal bergauf. Und diesmal war der Anstieg nicht so gemütlich wie gestern. Es ging noch ein klein wenig bergrunter, doch dann 600 Meter auf felsigem Gelände doch noch ein wenig Wald und vor allem die ersten 1,5 Stunden im Schatten nach oben. Der erste Blick über die Kante war gewaltig. Doch von hier waren es, und wir liefen schon einige Zeit in der Sonne, gar nicht mein Ding, noch vielleicht knapp hundert steile Höhenmeter bis zum einstweiligen Höhepunkt. Von hier sollte es nun 900 Meter bergab zur Hütte gehen. Denkste. Runter und hoch, immer wieder Klettern, nicht gefährlich, einfach nur anstrengend in der Mittagshitze. Da kommt man schon ins Grübeln, ob 2 Liter Wasser wirklich reichen werden. Auch das ständige Wegpacken der Stöcke, manchmal sogar der Kamera, wenn sie beim Klettern im Wege sind. Dann aber wieder auspacken, da ich mich schon so an die Stöcke gewöhnt hatte, dass ich sie auf keinen Fall missen möchte. Sie nehmen auch gewaltig Gewicht von den Knien. Den Beweis konnte ich immer auf meinen Handflächen sehen, die rot geschwollen waren vom Druck der Stöcke.
Jetzt aber erst einmal genug vom Jammern, denn die Ausblicke vom Grat waren einfach nur überwältigend. Schroffe Felsen, tiefe Schluchten, ab und zu majestätische Zedern, die zwar gewaltige Ausmaße hatten, aber in der riesigen Felslandschaft eher wie eine Ansammlung von jahrzehntelang liebevoll beschnittener Bonsai wirkten, die sehr bedacht an ihre Standorte platziert wurden.
Im Gegensatz zu den Klettereien während der Alpenüberquerung, bei der dies Absturzhöhe meist einige hundert Meter tief war, gab es hier kaum Stellen, wo es sehr gefährlich geworden wäre. Klettern war zwar die ganze Streck lang angesagt, aber das war eher kräfteraubend als nervenaufreibend. Adrenalinschübe hielten sich in Grenzen. Glückshormone wurden bei der Schönheit der Natur, der vielen Fotomotive dann wohl öfter ausgeschüttet.
Nach unendlich erscheinendem Bergauf und Bergab, begann dann doch der Abstieg, der die ersten 300 Höhenmeter auch immer wieder eine Kletterei vorsah. Da kam es schon zu den ersten Straucheleien, Stockwürfen und Thorsten, als aufmerksamer Wanderleiter, ordnete dann auch eine Pause zur Erholung an. Auf den letzten 300 Meter hinab zur Hütte stürzte Toma an einer ebenen schottrichen Stelle und wie sich abends, nach Abbau des Adrenalins, sich herausstellte, hatte sie sich ihre linke Hand verletzt. Abstiegsszenarien wurden diskutiert. Wir entschieden uns aber, noch die Wirkung von Voltaren in Form von Schmiere und gepresster Pulverform abzuwarten und morgen früh zu entscheiden.
Die Hütte war wieder verwanzt, und wir bekamen Zelte zugewiesen. Unseres war direkt
vor den Toiletten.
Es roch. Aber es wanzte nicht. Freiheitsliebend wie wir waren machte uns der Gestank gar nichts aus. Wir erfuhren von Wanderern, die den Weg in umgekehrter Richtung gemacht hatten, dass alle Hütten auf dem Weg verwanzt sind. Halleluja!
Die Hütten sind alle sehr einfach. Betten haben wir noch nicht gesehen. Nur die Kochstellen haben wir bereits genutzt, Propangasflaschen mit zwei Kochplatten. In beiden Hütten gab es einen kleinen Laden, der auch das Abendbrot und Frühstück für diejenigen zubereitete, die sich für die Halbpension entschieden. Wir aßen selbst unser mitgebrachtes Essen.
Ein Vergleich mit Hütten in den Alpen liegt sehr, sehr fern.
Hygiene, Verpflegung, Komfort der Unterbringung sind in den Alpen wesentlich besser. Aber da müssen wir durch.
4. Tag
Am nächsten Morgen wiederholte sich alles von Neuem. Lärm, Aufstehen bei Dunkelheit, schnell Frühstücken und dann pünktlich 7.30 Uhr los. Erst ging es ein kleines Stückchen bergab, schon hier mit schönen Motiven, dann über die Brücke, die ganz schön schwankte und ein Geländer hatte, das für Ramona angefertigt war. Von nun ging es bergauf. Thorsten hatte uns schon vorgewarnt, dass es über Platten geht und diese auch mit Ketten ab und zu versichert waren. Noch liefen wir im Schatten. Die Sonne beschien nur die Ränder der Felsen in der Schlucht. Die Kletterei über die Platten gestaltete sich nicht schwierig. Der Weg insgesamt nach oben war doch recht steil und anstrengend durch die vielen Kletterstellen, wo man manchmal auch die Hände zur Hilfe nehmen musste. Wir machten unsere 90 Minuten – Pause, also nach 90 Minuten eine Pause, dann ging es weiter und erfreulicherweise, selbst als wir uns dann mit der Sonne auf halber Höhe getroffen hatten, ab und zu im Schatten. Der angekündigte See war klein und war für keinen eine Einladung für ein erfrischendes Bad. Also stapften wir die restlichen 50 Höhenmetern bis zur Scharte nach oben und genossen von da wieder einen bombastischen Ausblick. Gleich an der Scharte gab es eine Kletterstelle, wohl die kitzligste bisher. Ich hatte wohl meine Nerven im Griff, denn im Gegensatz zur Friesenbergscharte machte mir dies nichts aus.
Von hier ging es wieder ein wenig bergab entlang des Bergrückens, den wir dann gleich wieder nach oben kletterten. An der zweiten Scharte machten wir dann unsere Mittagspause. Von hier konnte man hinabblicken auf unser Tagesziel, die Hütte von Haut Asco schon sehen. Die Hütte erschien total nah, das heißt der Abstieg von 600 Metern wird ganz schön steil. Das wurde er dann auch. Nach einer Stunde machten wir unterwegs wieder eine Pause und dann standen sie da, die riesigen Zedern, uralt, verkrüppelt, wie aus dem Märchenbuch. Kamera links, Kamera rechts und es hat bumm gemacht. Toma legte sich der Länge nach hin und machte noch eine gekonnte Bodenrolle, so wurde es mir berichtet. Ich war zurückgeblieben, um die Landschaft abzulichten, Toma vermaß den Weg. Als ich dazukam, streifte sich Thorsten gerade die Gummihandschuhe über und begann mit der Erstversorgung. Wunde säubern, Verband anlegen, Patienten zum Lachen bringen. Das funktionierte, Toma lachte schon, vielleicht nicht ganz fotogen, aber für einen Gruselfilm hervorragend. Bis zur Hütte waren es gerade mal noch 15 Minuten, die Toma vom Rucksack entlastet alleine bewältigte. Der Hüttenwart rief irgendwo bei der Rettung an, doch mit dem Krankenwagen wollte Toma niemand abholen. Auch die Feuerwehr (die erste Anlaufstelle für Unfälle) fand es nicht so wichtig. Also ein Taxi, damit wir selbst zum Arzt fahren konnten, sollte nun gerufen werden. Auch nicht so einfach. Wie wir im Krankenhaus erfuhren, gab es nur ein Taxi in Corte, der nächsten kleineren Stadt, wo auch das Krankenhaus sich befand. Die Alternative war, jemanden zu finden, der uns dort hinfuhr. Sofort der erste Corse half und sein Vater der 5 Minuten später eintraf, als wir uns gerade fertig gemacht und verabschiedet hatten, nahm uns mit in das sehr, sehr weit entfernte Krankenhaus nach Corte. Dort verbrachten wir eine Stunde im Warteraum und als dieser leer war, wurde Toma verarztet. Betäubt, örtlich, genäht über dem Auge und verpflastert. In der Zwischenzeit hatte ich ein Hotel gebucht, zu dem wir nun zu Fuß gingen, denn wir versuchten gar nicht erst, das einzige Taxi der Stadt zu bekommen. Hotel war ok.
Ich fiel bald um vor Hunger. Doch erst hieß es sich säubern und zwei drei Sachen waschen.
Jetzt ging es zum Abendessen, schon nach 20.00 Uhr, aber wohl genau die richtige Zeit für Frankreich. In einer Tapasbar aßen wir die leckersten Sachen, ich erspare mir die Aufzählung, damit niemand der Speichel im Munde zusammenläuft. Satt, zufrieden, da am Leben, mit allem Blut im Magen, fiel ich ins Bett und schlief noch beim Fallen ein.
Tag 5
Ich wache auf und es ist hell. Es gibt eine Decke über meinem Kopf und keine Toilettengeräusche. 9.00Uhr sagt der Zeit-Service – Toma, die schon auf die Uhr geschaut hat. Aus dem BETT!!! quälen, die Qual besteht darin, dass ich das Bett für das Frühstück verlassen muss.
Das Frühstück ist besser als unterwegs in den Bergen, was aber schon das höchste Lob wäre.
Wir haben einen Tag wanderfrei. Shopping ist angesagt, Sightsseeing, Corte ist eine schöne alte Stadt, obwohl sie ganz urig und ansehenswert ist, würde ich die Betonung aber eher auf alt legen. Wir schlendern durch die Kö, also die Hauptshopping-Meile, kaufen für mich ein Shirt mit langen Ärmeln und ich kann heute mein frisch gewaschenes Wanderhemd entsorgen. Es hat mir lange gute Dienste geleistet, ist aber nicht nur ausgeblichen, sondern auch nicht mehr auf dem neuesten Stand der Outdoortechnik und vieeeeeeeeeeeeeeeeeeeel zu warm für Korsika.
Apotheke und Optiker für Toma, denn ich hatte vergessen zu berichten, dass Toma auch ihre Brille geschrottet hat, im Zelt, beim Schlafen. Also ich setze da meine Brille immer ab, da ich nichts träume. Toma sieht nun ihre Träume auch nur verschwommen. Aber vielleicht war das in weiser Voraussicht, da es wohl diese Nacht Albträume gewesen wären.
Ach ja und dann Ohrringe kaufen, einer war wieder weg. Aber das ist ganz normal. Das passiert in jedem Urlaub. Ich sollte mal besser bei der Abreise aufpassen, ob es da wirklich noch zwei sind. Ich habe da einen Verdacht.
Alles gemeistert. Die Festung fotografiert, durch die wunderschöne Altstadt, das wunder streiche ich, spaziert. Lecker zu Mittag gegessen, Fiesta gemacht, wieder eingekauft, die Strecke bis zur Bushaltestelle abgegangen, Wäsche gewaschen und jetzt freue ich mich auf ein leckeres Abendbrot.
Berge? Ja, Berge haben wir auch gesehen, hinter der Stadt beginnen sie. Morgen um 8.00 Uhr bringt uns der Bus wieder dort hin.
Tag 6
Es fährt ein Bus am Tag nach Col de Vergio, dem Ort, unserem Hotel, wo wir wieder mit Ramona, Claudia und Thorsten zusammentreffen werden.
Wir sind schon da und warten. Der Bus fuhr 8.00 Uhr vom Bahnhof ab, sollte er, doch der Fahrer fuhr 5 Minuten eher los. Mit uns! Doch nach 5 Minuten erhielt der Fahrer einen Anruf und wir kehrten wieder um, zurück nach Corte. Wir dachten erst an einen Passagier, der noch gekommen war, aber es war eine Fahrradkurierin, die dem Fahrer ein Päckchen übergab. Da es zurück bergab ging und der Fahrer schon etwas genervt fuhr, wurde es Toma übel. Ich holte eine Kotztüte für alle Fälle. Die Fahrt durch die korsische Landschaft, die Schlucht hinauf zu unserer Hütte war überwältigend schön, wovon Toma leider nichts mitbekam. Der Brechreiz erreichte sein Maximum, als der Fahrer für ein Schwein bremste, das auf die Straße stürmte. Es liefen viele Schweine frei herum, wie wir dies von Schafen, Ziegen oder Kühen kennen. Auch Yaks, Pferde und Rentiere haben wir schon so freilaufend gesehen, aber Schweine, höchstens Wildschweine über die Autobahn in der Nacht. Ich frage mich, wie diese zum Schlachten eingefangen werden oder ob sie freiwillig kommen, wenn sie fett genug sind. Das Hotel sieht gut aus und ich hege die Hoffnung, dass wir heute in vier Wänden schlafen, vielleicht ein letztes Mal auf der Wanderung.
Wir müssen uns nach dem Luxus im Zwei-Sternehotel ja erst wieder an die Wildnis gewöhnen.
Heute gibt es ein paar Wolken und ein paar Tropfen Regen sind auch schon gefallen. Die Temperaturen sind auch angenehm, es bläst eine frische Briese. Jetzt habe ich mir genug aus den Fingern gesaugt, die Zeit des Wartens etwas überbrückt, aber der Tag ist noch lang. Basta.
Irgendwann waren sie dann auch da. Etwa 4 Stunden später als angekündigt.
Etwas erschöpft und entnervt, da sie sich verlaufen hatten. Dafür gab es Halbpension und warme Dusche.
Tag 7
Die Nacht war unruhig für mich. Morgens ging es 8. Uhr los. Gemütlich gingen wir einen schönen Waldweg bergab und dann im travers immer ein wenig bergauf. Der Wald war schön, der Weg war schön, die Aussichten waren schön, es war wirklich ein Genuss, heutte auf dem GR 20 zu wandern.
Die 90 Minuten-Pause war an einer kleinen Kapelle auf einem Pass. Wunderschöne Windflüchter standen am Hang. Der weitere Anstieg war noch genau so schön. Immer wieder herzerwärmende Aussichten sogar mit Wolken am Himmel. Als wir das nächste Mal über den Grat schauen konnten, ging es auf der anderen Seite weiter hinauf. Irgendwann war der Aufstieg zu Ende und es ging bergab. Hinab zu einem größeren See an dem Pferde weideten. Pferde kamen uns auch entgegen mit Reitern, die alle mit Handy am Ohr telefonierten.
Wir machten eine ausführliche Pause am See und setzten nach dem Mittag unseren Weg fort. Es ging allmählich bergab, an der ersten Käserei vorbei, an der zweiten Käserei vorbei, wo wir schon die Hütte von weitem sahen. Hier machten wir, Toma und ich eine kleine Teepause gemeinsam mit Kommandante Che. Von hier noch eine gute Halbestunde und wir waren an der Hütte. Wir bekamen ein Zelt. Das ist die sichere Variante, denn mit Wanzen in de Hütte schlafen wollten wir nicht riskieren. Thorsten, Claudia und Ramona hatten die Erfahrung in der einen Hütte bereits ohne uns gemacht und sind dann geflohen und haben unter freien Himmel geschlafen.
Die Hütte sah etwas besser aus, als vergleichbare. Es gab warmes Wasser in der Küche. Wir sahen einen Adler oder einen anderen sehr großen Greifvogel, der sich in die Lüfte schraubte. Am See hatten wir schon einen Rotmilan gesehen.
Heute war es nicht so heiß, obwohl den ganzen Tag die Sonne geschienen hatte. Jetzt ist es schon kalt (19.15) und ich muss nun doch die warmen Sachen nutzen, um nicht zu frieren. Hoffentlich wird die Nacht nicht zu kalt.
Tag 8
Ein bisschen Bammel hatten wir wohl alle, wie die Doppeletappe ausgehen würde. Im Buch ergab sich eine zusammengerechnete Laufzeit von 11 Stunden. Das ist aber eine Zeit ohne jegliche Pausen und wir waren bisher immer länger unterwegs. Die erste Maßnahme war zeitig los gehen. So bald der Weg zu sehen war, wollten wir also los. Wir standen um 5 Uhr auf und waren auch pünktlich abmarschbereit. Es ging bergauf. Nach 90 Minuten machten wir wie nun schon gewohnt unsere erste kleine Pause. Aber es waren noch etliche Höhenmeter zu laufen. Zum Wetter: 5.00 Uhr war sternenklarer Himmel, die Milchstraße schön zu sehen, da der Mond schon abgetaucht war, der in der Nacht die Milchstraße weggeleuchtet hatte. Um 6.00 Uhr gab es schon einige Wolken am Himmel, die die Sterne verdeckten. Beim Aufstieg kamen immer mehr hinzu. Da die Wolken nicht sehr dicht waren, war der blaue Himmel immer noch ab und zu zu sehen. Es bestand noch Hoffnung, dass die Sonne herauskam und es etwas wärmer werden ließ, denn am Morgen war es relativ kalt und die Wärme produzierten wir nur selbst. An der Scharte angekommen, pfiff ein scharfer Wind. Der Blick nach unten war spektakulär, wenn wir nach links schauten, jagte der Wind die Wolken über den Kamm, wo sie an die scharfen Kanten der Felsen zerrissen. Wir schlichen an der Felswand entlang, mal bergab, mal bergab. Viele Kletterpassagen waren zu bewältigen, der Wind tobte, mal gab es eine kleine Ecke, wo es still war. Die Wolken hüllten uns ein oder gaben kurzfristig wunderbare Blicke in die Landschaft frei. Für die Kletterei zog ich die neuen Handschuhe an, die Stöcke und den Foto hatte ich schon lange weggepackt, weswegen auch bei den Kletterpassagen wenig Fotos zu erwarten sind. Obwohl heute die spektakulärsten Passagen zu bewältigen waren. Lange Kettenabschnitte im Abstieg, eine „Kaminkletterei“ und weitere ausgesetzte Passagen.
Als ich die Kamera vor dem Bauch hatte knallte sie bei einer Kletterei gegen den Fels. Es war nicht das letzte Mal heute, und ob etwas mit dem Objektiv oder der Objektivfassung passiert ist, wird die Werkstatt sagen. Fotografieren kann ich aber noch. Die Sonnenblende hat alles äußerliche abbekommen. Als wir ein kurzes Stück auf dem Grat liefen, hielten wir uns gegenseitig fest. Die Windböen waren heftig. Wir trafen am heutigen Tag (einen Tag später als das Geschehene) einen Deutschen, der zur selben Zeit mit dem Flieger auf Korsika gelandet ist und der sagte, dass Windgeschwindigkeiten über 110 km/h beim Landanflug geherrscht hätten.
Vom Grat verkrochen wir uns in einen Windschatten, wenige Meter darunter und machten eine Pause zur Stärkung. Dann ging der Weg weiter. Der Weg, das waren Steinhalden, die zu überwinden waren, manchmal auch schräge glatte Platten, eine ständige Kraxelei. Mal waren die Stöcke genau richtig, mal mussten sie wieder zurück an den Rucksack. Als wir die ganze Gebirgskette durchstiegen hatten und von einer Scharte auf unsere erste Hütte schauen konnten, entschied Thorsten, dass wir nicht die Gratvariante weiter gehen, sondern ins Tal abstiegen und das andere Tal hinauf zum Tagesziel gehen. Es hieß also viele hundert Höhen-Meter absteigen. Doch nach etwa 150 Höhenmetern machten wir erst einmal Mittag in der Petre Piana Hütte. Heißen Tee, Brot, leckeres Olivenöl, im Gemisch mit Bruscetta, ein Gedicht. Sogar die Franzosen schauten Toma fasziniert zu, wie sie Oregano, Rosmarien, und alle möglichen Gewürztütchen mischte und wir dann das Brot in die Pampe tunkten. Leckerrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr.
Gestärkt ging es auf die zweite Etappe, obwohl die erste schon etwa 7 Stunden Zeit gekostet hatte. Es ging erst einmal bergab, wieder Steine nur zum Schluss des Abstiegs führte der Weg durch einen sonnendurchflutenden Märchenwald und hier war der Weg auch ertragbar. An einer Käserei, kurz vor dem Aufstieg, machten wir noch einmal eine Pause. Hier hätten wir auch übernachten können, doch da hätten wir selbst Zelte haben müssen. Es begann zu regnen, doch der Wirt der Käserei, versprach uns, dass wir bis zur Hütte im Wald laufen würden. 500 Höhenmeter standen noch bevor und wir waren schon 10,5 Stunden unterwegs. Zügigen Schrittes, der Dunkelheit einen Wettlauf bietend, marschierten wir bergauf. Nur eine kleine Umzugspause war uns gegönnt. Der Wald hielt den Regen gut ab, nur kurz vor Schluss der Etappe, als es bis zur Hütte nur noch wenige Meter waren, hagelte und regnete es auf uns richtig nieder. Auch diese Hütte, wie alle auf dem GR20, rühmte sich der Bettwanzen. Doch erst mal waren wir froh, unter einem Dach zu stehen und nicht mehr durchnässt zu werden. Wir waren 12,5 Stunden unterwegs und relativ erschöpft.
Wir logieren im Hotel Central, mitten im Zentrum von Bastia. Bastia ist die nördlichste Stadt auf Korsika, von wo aus wir morgen mit dem Flieger nach Deutschland zurückkehren werden.
Aber zurück zur Doppeletappe. Da der GR 20 ja durchgängig verwanzt ist, bekamen wir wieder ein Zelt zugewiesen und zwei in die Hand gedrückt, um sie selbst aufzubauen.
Zum Glück hatte der Regen nachgelassen, der Wind aber nicht. So mussten wir das Zelt immer unter Kontrolle halten, damit es nicht davon flog beim Aufbauen. Unser Zelt stand schon auf der schiefen Ebene, das von Thorsten bauten wir nebenan auf und auch das hatte eine kleine Neigung, sodass wir die ganze Nacht zum Zeltausgang rutschten. Toma rutschte nicht. Thorsten und wir entschlossen uns nach der langen Etappe Abendbrot in der Hütte zu essen. Es gab ein französisches Drei-Gänge-Menü mit vegetarischer Lasagne, die die 3 Chemnitzer, die uns gegenüber saßen, fast unberührt ließen. Wir bekamen für 3 Mann noch die zwei verbliebenen Menüs, da alle anderen bereits vergeben waren, ja schon aufgegessen, denn es war schon nach 8 Uhr. Die Karl-Marx-Städter hatten gerade eine Etappe von Vizzavona aus dem Süden kommend hinter sich und waren völlig entsetzt über das Wetter. Es war heute auch der kälteste Tag, mit Regen, Sturm, Wolken….
An Duschen oder Waschen haben wir keinen Gedanken verschwendet, nur, wie wir warm durch die Nacht kamen. Das Zelt hielt dicht, wurde aber vom Wind ab und zu durchgerüttelt, was sich recht schaurig anfühlte oder romantisch, je nach dem wie man eingestellt war. Mir war es ziemlich egal, da ich ziemlich schnell einschlief, aber dann gegen Mitternacht aufwachte, als Toma auf das Örtchen ging. Ich folgte. Weit unten im Tal gewitterte es. Man sah die Blitze, wie sie durch die Wolken zuckten. Der Himmel über uns war sternenklar.
Tag 9
Die Nacht ging vorbei, der letzte Tag brach an. Und er nahm sich Zeit, genau wie wir. Die Sonne hielt sich hinter dem Berg und im Schatten war es richtig kühl. Das Aufstehen aus dem warmen Schlafsack war also ein Muss. Ich würgte mir meine letzte Portion Müsli rein, mit warmen Wasser, da ich die Trockenmilch in der letzten Hütte zurückgelassen hatte. Gegen 8.30 Uhr verließen wir den Zeltplatz auf dem jetzt ein Pferd zwischen den Zelten graste. Los ging es im Schatten, aber keine 30 Höhenmeter gegangen, liebkoste uns die Sonne und es wurde warm. Jacke aus, da wir schon ins Schwitzen geraten waren. 700 Höhenmeter lagen vor uns. 700 Meter bergauf ohne geradeaus oder bergab. Die ersten 500 schaffen wir bis zur heutigen 85 Minutenpause, die aber extrem kurz ausfiel. Nach einiger Kraxelei und den restlichen 200 Metern zum Pass, die für uns die letzten waren, hatten wir das Ziel unserer Wanderung vor Augen, zumindest derjenige, der gute Augen hatte, denn es lag tief unten und 1200 Meter nach unten waren noch zu bewältigen. Aber erst einmal Pause, abschließende Mittagspause mit herrlicher Aussicht vom Pass, einigen schönen Wolken am Horizont und einigen wenigen, die das Tal herauf zogen, dem Monte Oro entgegen.
Der Abstieg war wieder eine Zusammenfassung aller früherer Abstiege, Platten, kleine Klettereien, Steine, Steine, immer noch Steine, wenn man auch dachte, Steine sind aus und ein ganz klein wenig normaler Waldweg. Es ging vorbei an schönen Bäumen, Badegumpen, also kleinen Vertiefungen im Flusslauf, ausgewaschenen Stellen, die so eine Art Badetümpel oder kleine Seen bildeten, die manche, uns nicht, zum Baden einluden. Toma und ich nahmen uns dann viel Zeit, um die Landschaft noch einmal ausgiebig zu inhalieren, ich wohl mehr zu digitalisieren, auf Film zu bannen. Ein Rettungseinsatz mit Helikopter konnten wir auch beobachten, zwar aus der Ferne, aber in unserem Tal etwa 100 Höhenmeter über uns. Als wir dann high waren vom Inhalieren, quälten wir uns den Weg hinab bis zum Schluss nach Col de Vizzavona, dem Ortsteil, der oberhalb des Ortes liegt.
Hier hielten wir nach Thorsten, Ramona und Claudia Ausschau, die schon etwas schneller gegangen waren und die Hütte bezogen hatten. An einer kleinen Gaststätte bestellten wir zwei heiße Schokoladen und riefen Thorsten an, der uns den Weg genau beschrieb. Wir wollten gerade aufbrechen, als Ramona um die Ecke kam, und zwar um die Ecke der Gaststätte, wo gerade aufbrachen und sagte, dass wir es ja wohl schnell gefunden hätten.
So ging die Wanderung zu Ende.
Wir aßen in der besagten Gaststätte zu Abend - Menü. Drei Gänge. Wer wollte sogar vegetarisch. 3 Personen wollten.
Die Hütte hatten wir heute ganz für uns alleine. Selbst die Wanzen übernachteten nicht mit uns. Und es gab in der Hütte eine Dusche, mit warmen Wasser, zumindest für die meisten.
Also Ende gut, alles gut.
Tag 10
Das Frühstück war für 7.15 Uhr bestellt, da der Zug laut Fahrplan, der in der Gaststätte hing, 8.45 Uhr fuhr und wir mussten ja noch zum Bahnhof etwa 3 km laufen. 7.18 Uhr standen wir mit Toma fertig gepackt und angezogen vor der verschlossenen Tür der Gaststätte. Keiner da, kein Frühstück oder kein Zug.
Eine Tüte mit frischem Bagette und Brot lehnte davor. Vom Wirt keine Spur. Wir läuteten an der großen Glocke. 7,45 Uhr, als wir geplant hatten zu gehen, kam der Wirt aus dem Wohnwagen von der gegenüberliegenden Straßenseite angeschlichen und beschwerte sich, dass wir ihn mit der Glocke geweckt hätten. Wir aßen schnell Frühstück und dann im Eiltempo bergab. Fahrkarte kaufen, schnell noch einmal auf die Toilette und der Zug kam Nicht! Der Fahrplan war wohl veraltet. Er fuhr erst 9.25 Uhr und es war noch genug Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Wir fuhren also nach Norden und Thorsten, Ramona und Claudia gingen nach Süden.
Die Fahrt durch die Berge Korsikas war ausgesprochen schön.
Wir suchten uns ein Hotel über Booking.com heraus bekamen dort auch problemlos ein Zimmer und verbrachten noch einen Tag ohne jegliche Entbehrungen in Bastia.
Morgen fliegen wir nach Hause.
Tagebuch