Tagebuch Tag 4

Via Alpina 15.07. 2021 4. Tag


Pfunders – Chemnitzer Hütte

Ja, da war noch etwas, jeden Tag etwas Anderes. Heute hat es zum ersten Mal den ganzen Tag geregnet. Wir ließen uns bis zum letzten Hof von Pfunders mit dem Taxi fahren und ich stieg mit etwas Widerwillen aus, da es draußen regnete. Wir zogen uns noch die Regensachen, diesmal Jacke und Hose an, bevor wir den Rucksack aus dem Taxi hoben.
Der heutige Tag war informationstechnisch kompliziert. Laut Beschreibung der Via-Alpina wären wir heute 4 Stunden 5 Minuten unterwegs, Laut Wirt vom Brügge zweimal 5 Stunden. Die Wahrheit lag in etwa in der Mitte. Durch die Taxifahrt hatten wir etwa 300 Höhenmeter gespart, also ungefähr eine Stunde weniger im Regen gehen und eine Stunde weniger Gehzeit. Dann fuhr das Taxi los und ließ uns im Regen gehen. Bis zur ersten Hütte waren es fast 500 Höhenmeter, die wir in etwas mehr als einer Stunde absolvierten. Das war ein ambitionierter Anfang. Auf der Hütte trank ich eine heiße Schokolade von den Almkühen., Toma einen Tee. Auf der Alm lebt eine Familie den ganzen Sommer lang. Jeden zweiten Tag wird die Milch ins Tal gebracht, ein Teil dient zur Selbstversorgung. Toma nutze die Gelegenheit und fragte nach, wie gefährlich die Kühe wirklich sind, und wie man sich verhalten muss. Kühe sind für Wanderer nicht gefährlich, wenn keine Hunde dabei sind, dieser auch noch an der Leine und wenn man nicht zwischen Mutterkuh und Kalb gerät. Doch meisten werden diese, also Mutterkuh und Kälber getrennt gehalten. Also Entwarnung. Das neu - erworbene Wissen fand aber heute noch keine Anwendung. Die Besitzerin der Alm erklärte uns auch den Weg. Bis zur Edelrauthütte waren es noch 2 Stunden. Die bräuchten wir dann in etwa auch. Fototechnisch war heute ein schöner und ein blöder Tag, denn über den Wolken, die Berge im Hintergrund, wenn es aufzog, das sah schon wunderschön aus, aber es regnete ständig und ich musste den Foto immer in dem Zipbeutel verstecken und umständlich wieder herausholen. Wir kamen am See unterhalb der Edelrauthütte an und stiegen in einer halben Stunde über mehrere Schneefelder auf. Die Hütte ist sehr schick. Rings herum lag noch Schnee. Das Wetter war die letzten drei Wochen schlecht, also heute war es sozusagen wie immer. Die Hütte sehr modern, riesige Fenster und einen wunderschönen Schankraum verleitete uns zum Mittagessen. Das hatte ich auch dem Wirt versprochen, als ich vor einer Woche nach einer Übernachtung gefragt hatte. Wir fragten, wieviel Via-Alpina-Wanderer so vorbeikommen. Wenig, meist Wanderer, die alleine unterwegs waren, maximal zu Zweit. Und pro Woche vielleicht drei Wanderer. Macht bei etwa 10 Wochen Wanderzeit im Jahr 30 Leute, die sich auf die Via Alpina begeben. Vor kurzem war auf der Hütte ein Belgier, Karel Sabbe, der die Strecke gerannt ist. 80 - 90 km am Tag (das sind 4-5 normale Tagesetappen). Sein Lauf wurde von einem Team gefilmt. Da muss ich unbedingt mal googeln. Von der Edelrauthütte bis zur Chemniterhütte gibt es zwei Wege, den Höhenweg, 4. 45 Stunden und den Weg übers Tal 4 Stunden. Wir nahmen den schnelleren und waren noch schneller 3. 40 Stunden. Doch wer will auch schon im Regen lange laufen? Ich schreibe das in der Hüttenstube der Chemnitzer Hütte, wir sind geduscht, haben unseren Durst gestillt und wenn ich könnte Ton einfügen, wieviel schöner wäre der Bericht wohl. Schon seit mehr als einer Stunde hören wir Ziacha-Musik, zu Beginn sogar gepaart mit Gitarrenklängen. Die Musikanten wechseln auch. Es ist eine Stimmung in der Hütte, einfach gemütlich, ehrlich, die Jugend, ach so die Ziachaspieler sind ganz junge Leute, Tiroler, die halt bei jeder Gelegenheit und Nichtgelegenheit feiern und heute scheint eine von beiden zu sein. Die Ziacha ist eine Zwetschkomode, vielleicht ein wenig abgewandelt, aber der Klang ist ähnlich, vielleicht eine Abwandlung von einem Bajan, da es nur Knöpfe, keine Tasten hat. Wir haben das Glück eine Nacht in eine große Familie aufgenommen worden zu sein. Auch gestern die Gespräche mit den München-Venedig Wanderern waren sehr schön. Jetzt sind wir auch satt. Die Hälfte habe ich auf dem Teller gelassen. Die Portionen sind hier für Holzfäller. Für Toma hat der Koch sogar etwas Veganes gezaubert. Der Hüttenwirt hat mir schon den Weg für morgen erklärt und auf der Karte gezeigt. Man wird umsorgt.
Wir brachen also so kurz nach 1 Uhr nach dem Mittagessen von der Ederauthütte auf, 600 Meter bergab, ich fiel zweimal hin, Murmeltiere kreuzten unseren Weg, wenn es die Wolken zufließen, sahen wir auf dem gegenüberliegenden Berghang die Chemnitzer Hütte. Wir liefen links am See vorbei und dann ging es auch schon hoch, etwas weniger als zwei Stunden. Der Weg war ein Fahrweg bis zur Alm und dann ein breiter, gut ausgebauter Wanderweg, auf dem Toma es schaffte sich zu verlaufen und ich ihr hinterherstapfte. Aber war nur ein kurzer Abstecher, dann ging es wieder auf der richtigen Strecke weiter, bergauf, die Hütte nun schon vor Augen. Die letzten Höhenmeter am heutigen Tag fielen schwer. Wir legten heute 1500 davon zurück, 600 im Abstieg und 8 Stunden dauerte sie nun, die Wanderung von Pfunders auf die Chemnitzer Hütte. Da lag der Brugger-Wirt gar nicht so schlecht mit seiner Schätzung, denn eine Stunde hatten wir ja eingespart. Der Gitarrenspieler und der Ziacha - Spieler hatten eine identische Frisur, sehr lockig und gleich geschnitten. Ich äußerte den Verdacht, dass sie Brüder seien. Sie waren Nachbarn. Sogar der Frisör war nicht derselbe, aber der Briefträger. naja, wer weiß, wie das Leben so ist in Südtirol? Jetzt wollte ich schon Schluss machen, aber jetzt gibt es noch ein Eis, himmlisch, irre, was für eine Hütte! Was für ein Tag, jeden Tag etwas Neues!


Ergänzung zum Tag

Kühe bei Gewitter rennen mit Augen zu herum und kommen deswegen zu Tode, Bauern müssen deshalb bei Gewitter zu den Kühen sein